Rumänienreisegruppe in Billed im Sommer 2011


  • Josef Herbst begrüßt die Reisegruppe bei ihrer Ankunft in Billed
  • Jakob Mager mt der Reisegruppe an der Ecke Bahngasse-Sauerländergasse
  • Im Forum der Billeder Deutschen
  • Begegnungen im Heimathaus
  • Im Haus des deutschen Vereins, vor dem Mittagessen
  • Bei einem typisch banatschwabendeutsches Sonntagsessen
  • Auf dem Neugässer Friedhof
  • In der katholischen Kirche
  • Aufnahme vom Chor
  • Bei Jakobs Tante Busa im Gang
  • Abedbrot vor dem Abschied
  • Die Dame in Rosa gehörte nicht zur Reisegruppe.

Wir kennen sie vom Tanzen. Einige Jahre lang sind wir allwöchentlich in Karlsruhe in eine Tanzschule gegangen, um Cha-Cha-Cha, Walzer und Slowfox zu lernen. Hernach ging es ins „Krokodil“. Wir waren drei Paare, dabei auch Helga und Jakob Mager.
Beide kamen 1981 aus Rumänien nach Deutschland, zusammen mit ihren zwei Söhnen, die damals noch klein waren. Helga ist in Sathmar geboren, Jakob in Billed. Schon nach wenigen Abenden im „Krokodil“ kannten wir Billed und das Banat recht genau, zumindest aus den Erzählungen.
Vor allem sahen wir ihre tiefe Verbundenheit mit der ersten Heimat, Stolz und auch Wehmut der Erinnerung an das Land und die Menschen, ihre Zusammengehörigkeit und Hilfsbereitschaft, die sich auch nach der Aussiedlung hier in Deutschland fortsetzt. Schwester und Schwager, Schulfreunde aus Billed und Temeswar haben dem Banat ebenfalls den Rücken gekehrt und leben jetzt in Deutschland. Sie halten engen Kontakt.

2002 hat Jakob für Freunde und Bekannte eine erste Rumänienfahrt organisiert. Wir konnten nicht dabei sein, mein Vater feierte gerade seinen 90. Geburtstag, da kann man nicht fehlen. Seither haben wir Jakob in den Ohren gelegen. Rumänien ist doch kein kleines Land, das man schon nach einer Fahrt bis in den letzten Winkel kennt.
Schließlich ließ er sich erweichen und plante eine zweite Reise. Diesmal sind wir mit von der Partie. Wir sehen Moldauklöster und Kirchenburgen, Störche und Pelikane, Städte und Landschaften, sehen Reichtum und Armut, Erneuerung und Verfall. Wir fahren in elf Tagen fast 2.500 km mit dem Bus durch das Land, 31 Touristen aus Deutschland mit einer rumänischen Studentin als Führerin und einem Rangierkünstler als Fahrer.
Der zwölfte und letzte Tag steht außerhalb des Besichtigungsmarathons. Dieser letzte Tag gehört Billed.

Schon während der Rundreise hat Jakob immer wieder das Busmikrofon ergriffen und uns auf diesen letzten Tag eingestimmt. Er hat uns die Geschichte der Donauschwaben erzählt, von Prinz Eugen und den „Ulmer Schachteln“ bis zum Sozialismus Ceausescus und der Auswanderung nach Deutschland. Auch Billed hat er uns vorgestellt, hat uns den Drei-Satz „dem Ersten der Tod, dem Zweiten die Not, dem Dritten das Brot“ nahegebracht und die Urkunde Maria Theresias zum Kirchenbau vorgelesen.
Wir hörten, wie das Land verteilt wurde, lernten den Grundriss der ersten Bauernhäuser kennen und was ein Joch ist.
Wir erlebten seine Schulzeit in der Billeder Volksschule noch einmal mit, in getrennten Klassen für Deutsche und für Rumänen. Es war interessant und spannend und anrührend und fast ein bisschen zuviel. Würde auch der Tag in diesem Dorf eigentlich zuviel sein?

Wir besteigen also den Bus und fahren hin. Der erste Eindruck zeigt ein weitgestreutes Dorf auf flachem Land unter einem schier endlosen Himmel. Es herrscht große Ruhe; nicht einmal Musikgeplärr aus einer Gaststätte; nur auf der Landstraße durchs Dorf gibt es gelegentlichen Autoverkehr.
Die Häuser, neuere und ältere, gepflegte und weniger gepflegte, säumen die Straßen und Wege in großem Abstand, dazwischen Wiesen mit Nussbäumen, die soeben zurückgeschnitten werden, was zu einer Stromabschaltung geführt hatte.
Die Äste waren den Stromleitungen zu nahe gekommen. Hinter den Häusern weite Gartenflächen; der untere Nachbar ist weit entfernt. Eine Roma-Familie fährt mit dem Pferdewagen die Dorfstraße entlang.

An einer Kreuzung steigen wir aus. Und plötzlich ist alles anders. Ein freundlicher Mann tritt auf uns zu und begrüßt uns.
Wir begegnen einer Gruppe von Menschen, die uns einen herzlichen und warmen Empfang bereitet, die uns ihre Häuser öffnet und uns mit einer Gastfreundschaft bewirtet, wie sie in Deutschland selten geworden ist. Da ist Herr Herbst, der freundliche Mann, der uns zuerst begrüßt hat und der uns über die Geschichte des Dorfes und der deutschen Familien, die hier leben oder gelebt haben, auch über seine eigene Familie unterrichtet, auch über eines seiner Steckenpferde, die Namensforschung.
Herr Csonti öffnet uns sein Haus; er und seine Frau zeigen uns Haus und Hof, Stall und Garten, alles wohlgepflegt und in vorbildlicher Ordnung. Er erzählt von der Selbstorganisation der verbliebenen Deutschen im Dorf, vom deutschen Kulturverein, dem „Demokratischen Forum“, und dessen Leistungen für hilfebedürftige Verbliebene.
Und da ist Jakobs Tante, Elisabeth Busa, die mit ihren 83 Jahren hellwach und putzmunter ist und uns mit Eloquenz und Charme bezaubert.

Der erste Pflichtbesuch gilt natürlich der Kirche. Erst kürzlich renoviert, präsentiert sich der schöne Barockbau in bestem Licht. Extra für uns werden sogar die Lichterketten rund um die Altarbilder angeschaltet, so dass St. Michael auf dem Hauptaltar, St. Wendelin und die Mutter Gottes auf den Seitenaltären besonders zur Geltung kommen.
Vier Bankreihen sortierten früher Männer und Frauen, Knaben und Mädchen.
Bemerkenswert, dass die Jugend in die Seitenschiffe verwiesen war, außerhalb der Reichweite des Pfarrers; da hatte ich es im Kölnischen schwerer, mussten wir Buben doch stets ganz vorne sitzen, wo es sich schlechter schwätzen ließ. Hier wie dort bot aber das Amt des Messdieners die Möglichkeit zur „Flucht nach vorne“; Jakob erzählt, wie er an den Glockenseilen hing, wenn es galt, zur Messe zu läuten. Ein besonderes Prachtstück ist die Orgel. Ich hätte sie gerne spielen gehört.

Dann geht es in das Haus des deutschen Vereins, zum Mittagessen. Unsere Gastgeber wollen uns ein typisch banatschwabendeutsches Sonntagsessen vorstellen, und so werden wir königlich bewirtet. Dafür sorgten Roswita und Adi Csonti, samt Mutter, Tochter, Schwiegersohn und Küchenhilfen.
Zunächst gibt es Rinderbrühe mit feinen Nudeln, alsdann das Rindfleisch mit Kartoffeln und Kren. Dieser Meerrettich ist ein Gedicht: Sämig und doch cremig, pikant und doch nicht zu scharf, und vor allem frisch zubereitet. Eigentlich war das ein stattlicher Hauptgang.
Es kommt aber noch ein weiterer, ein fein paniertes Schnitzel, das an das italienische „piccata milanese“ erinnert, begleitet von kleinen Kohlrouladen und Pfirsichstücken. Diese Köstlichkeiten müssen natürlich schwimmen.
Als Aperitif gibt es einen vorzüglichen Zwetschgenschnaps, zum Essen dann zwei rumänische Weine, die sich sehen lassen können, einen roten und einen weißen.
Vor dem Nachtisch müssen wir gottlob einen kleinen Spaziergang einlegen, der überhaupt erst den nötigen Platz im Magen schafft.
Ziel ist das Haus der Tante Busa. Im dortigen „Gang“, halb im Freien, erwartet uns eine weitere festlich gedeckte lange Tafel mit selbstgebackenem Kuchen, mit Nuss und Mohn, auch Mozartkugeln und andere Leckereien, von Brunhilde Klein zubereitet, dazu Kaffee.
Für die Vorbereitungen, Empfang und Bewirtung der Gäste hat die Tante eigens ihre Tochter Angelika mit Schwiegersohn Severian aus Deutschland anreisen lassen.

Inzwischen ist der Nachmittag vorgerückt. Hoch über uns am Firmament sammeln sich viele Störche; sie bereiten sich auf ihren großen Zug nach Süden vor, der in wenigen Tagen beginnen wird.
Wir wandern noch an Jakobs Elternhaus vorbei ans Ende der Dorfstraße und besuchen den Friedhof. Die Grabstellen machen einen sehr gepflegten Eindruck. Allerdings sind viele mit Stein und Beton abgedeckt, was die weitere Pflege erübrigt; die Hinterbliebenen wohnen nicht mehr hier.
Mitunter verzeichnet ein Grabstein auch anderswo Verstorbene, die Billed längst verlassen hatten; der deutsche Verein kümmert sich um alle Billeder, auch die fortgezogenen, und vermerkt ihren Verbleib und ihr Schicksal. An einem hohen Holzgerüst schaukelt das Sterbeglöckchen, gleich neben der kleinen Einsegnungskapelle.
In einem Schuppen steht eine alte schwarze Kutsche mit prächtigen Verzierungen und Messingleuchten. Dieser Bestattungswagen wird noch heute benutzt. So manches Museum würde für dieses Schmuckstück einen hohen Preis bezahlen, auch wenn Diebe die beiden Engelchen, die früher die vorderen Ecken des Daches verzierten, längst gestohlen haben.

Der Tag neigt sich. Leider können wir nicht mehr lange bleiben; am nächsten Morgen geht es zum Flughafen, und der Busfahrer muss zuvor zwölf Stunden Ruhe einhalten, da er von dort seine nächste Tagesfahrt antreten muss. So reicht die Zeit nur noch für ein abgekürztes Abendbrot.
Wieder übertreffen unsere Gastgeber sich selbst: Speck, Käse und Paprika sind auf jedem Teller kunstvoll arrangiert. Wieder gibt es zuerst einen Schnaps, dann rumänischen Wein.
Dankesreden werden gehalten, Geschenke überreicht. Lässt sich damit diese großartige, bewegende Gastfreundschaft aufwiegen? Eigentlich ist das nicht wichtig. Wichtig ist die Geste, das Zeichen der Dankbarkeit und der Verbundenheit.
Wichtig ist auch die Erinnerung an einen schönen, einen vollkommenen Tag.




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