50 Jahre Familienbeziehungen über den Eisernen Vorhang und den Atlantik hinweg

Im Sommer 1969, also vor fünfzig Jahren, haben Hermann und ich nicht nur geheiratet, sondern aus diesem Anlass auch den in Amerika lebenden Teil meiner Familie kennengelernt: den Bruder meiner Mutter, meinen Onkel und Path Franz Backes, seine Frau und deren Kinder, meine – leider im vergangenen Herbst verstorbene – Cousine Linda und meinen Cousin Frank.

Path und Goth, wie ich sie genannt habe, waren beide Schwowe und sind erst nach dem Zweiten Weltkrieg nach Amerika ausgewandert. So konnten Linda und Frank Schwowisch verstehen und sprechen, außerdem besuchten sie in den Sommerferien zusätzlich einen Deutschkurs. Linda war bei ihrem ersten Besuch im Banat 12 Jahre alt, Frank 10. Beide haben sich bei diesem Besuch in der alten Heimat ihrer Eltern wohlgefühlt. Besonders Linda hat es in Billed gut gefallen, da sie sich schnell mit Hans und Franz Dugonitsch (unseren Gschwisterenkeln), die mit ihr im gleichen Alter waren, angefreundet hat. In dem Abschiedsbrief, den Linda kurz vor ihrem Tod an uns Cousins geschrieben hat, erzählte sie, dass sie bis zu dieser Begegnung mit den vielen Verwandten in Billed, Keglewichhausen und Knees der Meinung gewesen war, ihre Familie beschränke sich auf die Personen, die mit ihr in Cincinnati im gleichen Haus wohnten, also ihre Eltern und die Eltern ihrer Mutter, Oma und Opa Stillebauer genannt.

1979, nachdem unsere Familie nach Deutschland ausgewandert war, ist der Kontakt mit meinen Cousins in Amerika einfacher und enger geworden. Jetzt konnten wir uns schreiben, ohne dass die Briefe von der Securitate kontrolliert wurden, und telefonieren konnten wir auch. Aber bis wir uns alle wiedersahen, vergingen einige Jahre: Linda und Frank hatten in der Zwischenzeit geheiratet, in beiden jungen Familien war das erste Kind schon geboren, als Hermann und ich mit unseren Kindern Sigrid und Erhard die Verwandten in Amerika 1987 zum ersten Mal besucht haben. Für alle war es eine große Freude. Wir waren bei Onkel und Tante und Linda und ihrer Familie in Cincinnati zu Gast, aber auch bei Frank und seiner Familie in Pennsylvania, wo er damals gearbeitet hat. Vieles von Amerika haben sie uns damals gezeigt, Frank ist sogar nach Washington und New York mit uns gefahren.


Im Laufe der Jahre wurden die Familien größer (Linda hat vier Söhne und Frank zwei Töchter und einen Sohn; unsere Kinder haben ebenfalls geheiratet und Kinder bekommen) und die Kontakte zwischen den Familien intensiver und häufiger: Erhard und seine Familie waren in Cincinnati zu Besuch, Frank und seine Familie kamen und kommen recht regelmäßig nach Deutschland. Er ist beruflich in der ganzen Welt unterwegs, und der Hauptsitz seiner Firma für Deutschland liegt zufällig nur drei Kilometer von Eschborn, wo wir seit zehn Jahren wohnen, entfernt. So hat er in den letzten Jahren oft einen kurzen Abstecher zu uns gemacht, manchmal auch in Begleitung seiner Frau Jo. Mit Linda waren wir in reger telefonischer Verbindung und so immer bestens informiert. Aber ihren Wunsch, mal wieder nach Deutschland zu kommen, hat sie sich erst erfüllt, als ihre vier Jungen 'aus dem Gröbsten heraus' waren. 2014 kam sie im Advent zu Besuch, denn sie war neugierig auf die Weihnachtsmärkte in Deutschland. Sie hat sich mit uns Rüdesheim und Frankfurt angesehen, ist weiter zu ihren Verwandten nach Aschaffenburg und Augsburg gefahren und natürlich auch zu Hans und Franz Dugonitsch und ihren Familien nach Nürnberg. Mit ihnen konnte sie auch den berühmten dortigen Christkindlesmarkt kennenlernen. Alles in einer Woche.

Die ganze Bakes-Familie ist in Cincinnati im Verein der Donauschwaben aktiv, und viele von ihnen machen dort auch Musik. Zusätzlich spielt Lindas Mann Bob Waldhorn in einer großen Waldhornbläsergruppe. Mit diesem Bläserensemble ist er 2017 beim Eröffnungszug des Münchner Oktoberfestes mitmarschiert. Linda und er haben dabei die Gelegenheit für einen weiteren Deutschlandbesuch genutzt: Für einige Tage waren sie bei uns, und wir konnten zusammen einen kurzen Ausflug zum Heidelberger Schloss unternehmen und Sigrid und ihre Familie sehen, die seit einiger Zeit dort leben. Das war Lindas letzter Besuch bei uns, denn im Oktober 2018 ist sie nach kurzer Krankheit leider viel zu früh verstorben.

Frank hat in der Zwischenzeit zwei Enkelkinder und möchte nächstes Jahr in Rente gehen. Dann sind seine beruflichen Reisen vorbei und er wird nicht mal schnell auf einen Tag vorbeikommen können. Die Beziehung, die wir seit nun schon fünfzig Jahren pflegen, wird vermutlich nicht mehr so eng und rege sein, aber hoffentlich trotzdem erhalten bleiben.
Anna Schütz (geb. Fost)


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