Zum 100. Geburtstag von Margarethe Weber
Nie gedacht und doch geschafft
Nie gedacht und doch geschafft: 100 so abwechslungsreiche, oft unmenschlich schwere, doch auch glückliche, erfolgreiche, verantwortungsvolle Jahre im Dienste der Kinder, ihrer Erziehung zu guten Menschen, zur Heimatliebe und Tradition.
5 Jahre Russlandverschleppung, 5 Jahre Baragan-Verbannung konnten Lebenswillen und Tatkraft nicht brechen, es gab immer einen hoffnungsvollen Neubeginn: Familienglück, Genugtuung im Beruf, Geborgenheit in der Billeder Dorfgemeinschaft, für die sie ihr ganzes Sein einsetzte, das Leben der Billeder kannte, deren Mundart sprach und darin ihre Heimatliebe mit jedem Detail verdeutlichte.
Ihre Lebensgeschichte kann man im Heimatblatt 2011 nachlesen, zu ihrem 100. Geburtstag wollten wir an ihre Fähigkeit erinnern, typisch früheres Billeder Leben mit dem jetzigen in Deutschland zu vergleichen, Erinnerungen zu wecken, nostalgisch zu stimmen.
Für ihr weiteres Leben wünscht der Vorstand der HOG Billed Margarethe Weber noch schöne Jahre und dankt für all das Gute, das sie in den ihr anvertrauten Kindern weiterleben ließ.
Margarethe Weber: Ihre Lebensgeschichte
Wie mit den Lebenszeiten so ist es auch mit den Tagen... Jeder hat seine Unvollkommenheit. Aber rechne sie zusammen, so kommt eine Summe Freude und Leben heraus“, sagte schon Friedrich Hölderlin und hatte recht. Denn, wer die schwierigen Tage nicht zählt und die schönen Zeiten seines Lebens hervorhebt und sich ihrer gerne erinnert, hat mit Zuversicht und Zufriedenheit gelebt.
Obwohl Margarethe Weber (Divo) auch schwere Zeiten überwinden musste, konnte sie mit Optimismus und Gottvertrauen im Kreise ihrer Familie ihren 90. Geburtstag feiern.
Sie wurde am 22. Juli 1921 in Billed geboren. Ihr Vater Peter Divo war gelernter Kaufmann, betrieb viele Jahre bis zu seinem Tode 1961 eine Sodawasser-Abfüllanlage und bearbeitete bis zur Enteignung seinen 2 Joch großen Weingarten, verkaufte den Wein. Ihre Mutter Katharina, geb. Mumper, war gelernte Schneiderin und betrieb gemeinsam mit ihrer Schwester Margarethe Mumper eine Schneiderei mit 2 Angestellten und 3-4 Lehrmädchen.
Die Kindergarten- und Volksschuljahre verbrachte Margarethe Divo in Billed. Da sie und ihre 1922 geborene Schwester Anna Lehrerinnen werden wollten, besuchten sie 4 Gymnasialklassen und danach 4 Klassen der Lehrerinnen-Bildungsanstalt an der Josefstädter Klosterschule des Notre-Dame-Ordens, waren Zöglinge des Internats.
Nach Absolvierung und Befähigungsprüfung wurde Margarethe Divo Lehrerin an der deutschen Volksschule in Kleinjetscha, wo sie 1941/42 und 1942/43 die Klassen 1 bis 4 simultan unterrichtete. Da die Schülerzahl rückläufig war, verblieb nur der Schuldirektor an der Schule, Margarethe Divo wurde an die Volksschule von Großdorf (bei Perjamosch) versetzt, wo sie alle 7 Klassen zu unterrichten hatte, 1943 / 44 zugleich auch Schuldirektorin war. Hier leitete sie in den Sommermonaten auch den Erntekindergarten. Als die Volksgruppe ihre eigenen deutschen Schulen hatte, mussten die Lehrerinnen in den Sommermonaten Dienst in den Erntekindergärten versehen, damit die Bauernfamilien sorglos die Feldarbeit verrichten konnten. So hatte Margarethe Divo schon nach Absolvierung 1941 Dienst im Erntekindergarten Triebswetter, dann in Kleinjetscha, wo sie Lehrerin war.
Nach dem 23. August 1944 kehrte sie ins Billeder Elternhaus zurück, doch auch heute noch – nach gut 70 Jahren - erhält die geschätzte Lehrkraft Anrufe und Briefe ihrer ehemaligen Schüler, die sie nicht vergessen haben.
An diese Zeiten erinnert sie sich gerne, doch musste sie in ihren jungen Jahren auch schwere Schicksalsschläge hinnehmen: Im Januar 1945 wurden sie und ihre Schwester – wie viele andere auch – nach Russland zur Zwangsarbeit deportiert. Dort arbeitete sie im Laufe der Jahre als Handlanger auf Baustellen, auf einem Sowchos, in einer Schienenfabrik und zuletzt in einem Sägewerk beim Transport der Baumstämme zum Sägegatter. Erst 1949 durfte sie heimkehren.
Da an der Billeder Schule Lehrerinnenposten frei waren, bekamen beide Schwestern eine Stelle. Dort lernte Margarethe Divo auch ihren künftigen Mann Wilhelm Weber kennen, der damals am 2. Zyklus Mathematik und Sport unterrichtete. Im Juli 1950 heirateten sie, ohne zu ahnen, was ihnen in weniger als einem Jahr bevorstand. Einen neuerlichen Leidensweg mussten sie – wie viele ihrer Landsleute – gehen: Die Deportation in die Baragan-Steppe, die in der Nacht vom 17. auf den 18. Juni 1951 begann.
In diesem Verbanntendorf unterrichtete Margarethe Weber die aus 4 Klassen bestehende deutsche Abteilung an der rumänischen Schule. Im Herbst 1955 aus der Deportation entlassen und nach Billed zurückgekehrt, hatten sie viel an ihrem als Getreide-Depot der Genossenschaft benützten Haus zu renovieren, um es wieder bewohnbar zu machen.
Da jedoch an der Billeder deutschen Schule kein Lehrerposten frei war, nahm sie einen Posten im deutschen Gemeindekindergarten an, ihr Mann den Lehrerposten an der 4. Klasse der rumänischen Schule. So konnten beide in Billed bleiben, Margarethe Weber übernahm von ihrer Vorgängerin Maria Roman die Leitung des im Jakob-Mumper-Haus, Kirchengasse 240, untergebrachten Gemeindekindergartens mit 80 Vorschulkindern, in 3 Gruppen aufgeteilt. Die Höchstzahl betrug 96 und wurde allein von Margarethe Weber unterrichtet, unterstützt von einer Helferin. Wegen der Gaststätte von nebenan zog der Kindergarten in 3 Räumlichkeiten des Peter-Glassen-Hauses um. Dieser Kindergarten wurde im Februar 1965 mit dem Kindergarten der Kollektivwirtschaft zusammengeschlossen und es unterrichteten 3 deutsche Kindergärtnerinnen.
Nach Jahrzehnten im Unterrichtswesen tätig, ging Margarethe Weber 1976 in Rente, organisierte jedoch noch zum Abschluss mit ihrer Kindergartengruppe eine Mini-Kerweih. Die Kinder marschierten in Tracht, begleitet von der Billeder Blasmusik durch die Hauptgasse und versteigerten den Kerweih-Strauß im Festsaal des Kulturheims – ein Dorfereignis!
Außerdem veranstaltete M. Weber mit den Kindern jedes Jahr ein Sommerfest und ein Jahresabschlussfest.
Da Anfang der 70er Jahre ihr Mann eine Stelle an der Temeswarer Lenau-Schule antrat, wollte die Familie dorthin umziehen und konnte nach dem Tod der Schwiegereltern 1980 in deren Haus einziehen. Familiäre Umstände führten anschließend dazu, dass auch sie ihre Aussiedlung in die Bundesrepublik beantragten. Im Januar 1986 ließen sie sich in Bielefeld nieder, wo schon die Tochter Grete mit Familie wohnte. Frau Weber hat 2 Töchter, 4 Enkelkinder und 1 Urenkel.
"Frieher un jetz" von Margarethe Weber
Et war derhem doch immer scheen,
wie alle Billeder in Billed geween.
E jede hat Haus, Hoff un Garte khat,
e gut Bett, gedeckte Tisch, ze esse satt.
Mer han gäre un vill gearweit,
die ganz Wuch, zu jeder Zeit.
Et Lewe war a mit Sorche verbun,
mer hat et Geld net uf der Gass fun.
Awer wamer gsien hat, dass et ufwärts geht,
hat mer umso meh Mut un Kraft angeleet.
Wamer so iwerleet un zuruckdenkt,
ohne Hand angeleet, war uns nix gschenkt.
Do ware kä Motore un Maschine,
net emol die Bleistiftmine.
Mit Thinte un Feder hamer gschrieb,
die Wäsch uf der Wäschrumpl gerieb.
Im Bichleise hamer die Holzkohle gschwenkt,
iwrem Bichle efter die Himeter versengt.
Unrem Kessl war Feier for die Wäsch koche,
net so wie do, wu mer se nor in die Maschin muss stoppe.
Drbei kenne mer ruhich in de Supermarkt gehn,
wo mer alles fertig ze kaafe krien.
De Bauer is mit Pheer un Waan uft Feld gfahr,
mit de Eecht un am Pluch 2 bis 3 Schar.
Die Frucht un Gerscht hat ne mit der Sens abgemach,
die Garwe uf de Waan gelaad wie in e Fach.
Do hats khäsch um 4-5 Uhr ufstehn,
dass mer noch in de Stall kann fiedre un melke gehn.
Vonre Melkmaschin hat noch käne was gewisst,
un de Mähdrescher hat aa noch käne vermisst.
Trotz der schwer Arweit ware die Baure gsunde Leit,
han se doch immer in der frisch Luft un in der Sunn g’arweit.
A de Handwerker hat frieh de Tach angfang,
dass er doch oweds was ufweise kann.
Ob Schuster, Tischler, Moler oder Schneider,
mit Nodl, Nagl, Hammer un Pensl komme se immer weider.
Wamer im Haus etwas zu repariere khat hat,
hat mer dem Handwerker net a die Anfahrt gezahlt.
Gut war et frieher un is a jetz, wamer vill selwer mache kann,
no brauch mer net so oft rufe de Handwerksmann.
Na un wie mer als Kinner gspillt han,
do is als bis oweds spot scheen gang.
Grawemännche, Nolafches, Gewelballe un Verstoppelches,
bloßfießich im Stab rumlaafe hat gut getun de Schlimme un de Brave.
Mer han net e Termin for spille ausmache misse,
net de Spilltach per Telefon feschtsetze misse.
Do war no’m Esse et Leni vor de Tier
un hat gsaat: „Lissi, kummscht spille mit mer?“
Ja, die Zeide han sich stark geänert, net nor do, - in alle Länner.
Die Kids tun liewer vor der Kischt uf der Couch rumleie,
Computer spille, SMS un e-maile.
Awer das brauche se a in der Schul un iwerall,
in jedem Beruf - international.
Vergesse derfe mer die Hausfraue net,
do is e große Unerschit zwischn frieher un jetz.
Zum Beispil tun mer do die Erwesse in e Reindl läre,
bissi Zwiwl un Grienzeichbläder zu de waiche Khäre
un schun is e gut Supp ufm Tisch
un drno e „lecker“ gebrotne Fisch.
De hat mer derhem ender fange misse
aus de Lacke, Bäche oder Fliss,
derno abschawe, putze un no erscht brode.
Die hiesich Fischwertschaft, die muss mer lowe:
ausm Gschäft in die Phann un glei uf de Tisch,
e gude Grumbiersalat passt zu dem gude Fisch.
Derhem simer mim Weidling in de Garte gang
and anre End, bis an die Spinn-Erwesse dran,
dort hamer gsucht un geroppt, bis de Weidling war voll,
e frisch Zwiwl, e Grienzeichblaat un was sonscht noch nin soll.
Derno zruck in die Kich, die Erwesse plikke,
dass alles beizeide fertich is, musst mer sich schicke.
Aa die Bohne hamer so misse roppe,
Schleiße abziehe, wäsche, schneide un koche.
Na un de Salat un de Spinat
hamer geroppt Blaat for Blaat,
dann gut wäsche, abquelle un hacke,
koche un die Imbrenn mache.
Do geft die Grienspeis um halwer zwelf ufgetaut,
mit bissi Rahm un e Spichelai um zwelf Uhr
schon ausm Teller schaut.
No’m Paprika, der Paradeis brauch mer nor greife,
mer krit se immer ze kaafe, die „Halbreife“.
Derhem hamer die Planze ender mol gsetzt,
se anghauft, Pheel gschlaa, genetzt,
Grawe gezoo un gut gewässert,
drum ware die Unsriche a besser.
Ja, von morjets bis oweds warmer im Garte,
ganz graade Furche ziehe, säe, hacke...warte!
Awer die Arweit hat sich immer gezahlt,
net nor Grienzeich un Grumbiere,
aa Obst haade mer satt:
Mer han Omorte, Kersche, Prunier, Aplkuse ingeleet,
vill Leckwar gekocht von frieh bis spät.
Jetz brauche mer das alles nimmi mache,
ze kaafe kriet mer immer all die Sache.
Mer brauche a kä Schwein meh schlachte,
kä Feld for Viehfuder pachte,
kä Speck un Schunke int Salz lee,
kä Worschtfleisch in de Darm drehe.
Das kriet mer alles im Supermarkt no Wunsch,
awer dem Sach e gude Gschmack gen, is Banater Kunscht!
Samschtachs hamer sauwer gemach im Haus,
do han misse alle Fetzeteppiche raus.
Die hamer gebeidlt, de Staab rausgekloppt,
do war kä Staubsauger, kä Wischmopp.
De Hoff un die Gass hamer bis an de Grawe gekehrt,
do hat kä „Müllauto“ de Dreck wechgfehrt.
Derno ware die Gasse sauwer un blank,
mit Stolz sen mer noh dorch unser Billed gang.
Ja, manch gut Gewohnheit hamer dort geloss,
weil mer do in Deitschland anerscht lewe muss.
Das häscht, mer komme do leichter dorcht Lewe,
weil mer a uf e ganz aner Art strewe.
Awer mer vergesse unser Heimat nie un nimmer,
unser scheen Billed bleibt uns for immer!
Tach for Tach semer zufride un dankbar,
dass et Schicksal mit uns doher is gfahr.
Mer sen zwar iwerall in Städt un Derfer verstraut,
awer e jede hat sich e gemitlich Nischt gebaut,
von wo aus er zum Billeder Treffe fahrt,
zum Kerweifescht mit der Eintrittskart.
Do ka’mer mit de Billeder kreische un lache no Herzensluscht,
schwowisch verzähle so von der Bruscht.
Zum Schluss miss mer uns noml verabschiede un vonaner trenne
un dankbar sen, dass mer mitnaner for unser Tote bete han kenne.
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